Die mediale Globalisierung der extremen Rechten

Studie zu grenzüberschreitenden Kooperationen zwischen rechtsextremen Gruppen und ihren Social Media-Aktivitäten

Das Schöne an der Zeit, in der wir leben ist eigentlich, dass der Menschheit Technologien zur Verfügung stehen, um grenzüberschreitend weltweit zu kommunizieren und zu kooperieren. Aber wie leider so Vieles beinhaltet auch diese Möglichkeit der globalen Vernetzung eine Kehrseite. Es verbinden sich nämlich nicht nur soziale Bewegungen, die für mehr Humanität, für Frieden und Freiheit eintreten, sondern zunehmend auch rechtsextreme Gruppen, um koordiniert demokratische Prozesse zu stören. Sie nutzen Crowd-Funding-Plattformen, maßgeschneiderte Social-Media-Plattformen und sogar durchgesickerte militärische und nachrichtendienstliche Ressourcen, um Kampagnen gegen ihre eigenen Regierungen durchzuführen.

Neue Forschungsergebnisse der ISD, einer internationalen Nicht-Regierungsorganisation, die sich gegen Polarisierung und Hass einsetzt, zeigen, dass die Zusammenarbeit zwischen rechtsextremen Gruppen weltweit zunimmt. Der Bericht mit dem Titel "The Fringe Insurgency" zeigt, wie rechtsextreme Gruppen ihre Ideologien verschleiern und ihren Ton anpassen, um den Mainstream zu erreichen und zu radikalisieren. Dabei geht es ihnen besonders darum, die Debatten zu Einwanderung, Redefreiheit und Terrorismus zu manipulieren.

ISD-Forscher_innen verbrachten drei Monate undercover in bisher unerforschten Online-Foren wie 4chan, Gab und Discord, um herauszufinden, welche Taktiken rechtsextreme Gruppen anwenden. Dabei untersuchten sie insbesondere die Mobilisierung im Zusammenhang mit der Kundgebung "Unite the Right" in Charlottesville, Versuche, deutsche Wahlen zu manipulieren und die Bewegung "Defend Europe", die Flüchtlinge daran hindert, nach Europa einzureisen.

Insgesamt 50 Plattformen auf der ganzen Welt analysierte die ISD und identifizierte Tausende von Inhalten, die von rechtsextremen Gruppen wie britischen Gegen-Dschihadisten, deutschen Identitären und amerikanischen weißen Rassisten erstellt und verbreitet wurden. Diese Analyse enthüllte, wie die extremen Rechten versuchen, eine Massenbewegung von "normalen Menschen" zu initiieren, indem sie besonders junge Menschen ansprechen, um sie zu radikalisieren.

Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts

  • Rechtsextreme Gruppen auf der ganzen Welt arbeiten aktiv zusammen, um gemeinsame Ziele zu erreichen, wie z.B. Flüchtlinge aus Europa fernzuhalten, Gesetze gegen Hassreden abzuschaffen und rechtsextreme populistische Politiker an die Macht zu bringen.
  • Kampagnen rund um die Defend Europe-Mission im Mittelmeerraum und die Charlottesville-Rallye wurden von zahlreichen europäischen und nordamerikanischen Ländern finanziell und operativ unterstützt. Alternative Online-Plattformen, die teilweise explizit für die Nutzung durch die extreme Rechte geschaffen wurden, bieten Mechanismen für transnationalen Wissensaustausch, Fundraising und koordinierte Informationsoperationen.
  • Ihr strategisches, taktisches und operatives Zusammenspiel hat es der extremen Rechten ermöglicht, die groß angelegte Online-Mobilisierung in die Praxis umzusetzen. Durch koordinierte Aktivitäten an der Basis konnten sie die Wahlen beeinflussen, die Aufmerksamkeit der Medien weltweit auf sich ziehen und politische Gegner einschüchtern. Reconquista Germania, ein rechtsextremer Sender auf der App Discord, der die deutsche Wahl stören soll, zählt mittlerweile über 5000 Mitglieder aus aller Welt.
  • Die heutige extreme Rechte zeichnet sich dadurch aus, dass sie fähig ist zur Geschlossenheit; auch ideologisch sich nicht sehr nahe stehende nationalistische Gruppen schließen sich immer öfter zusammen, versuchen aktiv, ideologische und geographische Unterschiede zu überwinden, um mehr Einfluss und einen größere Reichweite zu erzielen. Sie schneiden ihre Kommunikationsmaterialien auf unterschiedliche Zielgruppen zu und thematisieren Themen, die vom weißen nationalistischen Aktivismus bis hin zum Schutz der Meinungsfreiheit reichen.
  • Um eine rechte 'Massenbewegung' in Gang zu bringen, nutzen extrem rechte Randgruppen weniger extreme Gruppen als strategische Sprachrohre, damit sie mit ihren Ideologien neue Zielgruppen erreichen. Ihr Ziel ist, sogenannte 'Normies' (Durchschnittsmenschen, die 'Mainstream'-Medien konsumieren) immer mehr zu radikalisieren, insbesondere junge Leute.
  • Rechtsextreme Netzwerke nutzen militärische und nachrichtendienstliche Ressourcen wie durchgesickerte strategische Kommunikationsdokumente des GCHQ und der NATO, um Kampagnen gegen ihre eigenen Regierungen durchzuführen. Mit raffinierten Operationen im Stil militärpsychologischer Operationen versuchen sie, demokratische Prozesse in Europa zu stören, wie im jüngsten Beispiel während der Bundestagswahl, wo koordinierte rechtsextreme Bestrebungen zwei Wochen lang Social-Media-Gespräche und die Top-Trending-Hashtags diktierten.

Julia Ebner, Mitautorin des Berichts, kommentierte: "Bisher konzentrierten sich die Reaktionen auf die Aktionen von extremen Rechten auf die Entfernung extremistischer Konten und Inhalte, aber das allein reicht nicht aus. Wenn man Inhalte auf einer Plattform blockiert, wandern die Gruppen einfach weiter zur nächsten und machen dort weiter." Besser sei es, auch einen Überblick darüber zu gewinnen, wo sie sich wie zusammenschließen, um ihre Online-Koordination und Offline-Maßnahmen besser unterbrechen können. 

Jacob Davey, Forschungskoordinator bei ISD und Mitverfasser des Berichts, fügte hinzu: "Die 'Bewaffnung' der extremen Rechten durch soziale Medien ist eine konzertierte Aktion zur Radikalisierung der Jugend." Um das zu stoppen, sei eine Antwort nötig, die in ihrer Ausgereiftheit und Größe der extremen Rechten entspreche, denn sie agierten über Grenzen und Ideologien hinweg.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 26. Februar 2018