Schützt Schwarmintelligenz vor Echokammer-Effekt?

Entgegengesetzte Gruppen können sich unter bestimmten Umständen dank Schwarmintelligenz aneinander annähern, wenn sie sich auch nur innerhalb ihrer eigenen Gruppe austauschen.

Steckt man zu viele Gleichgesinnte zusammen, kommt meist nicht viel Gutes heraus. Gerade wenn viele Menschen in sozialen Netzwerken sich immer nur mit Menschen ähnlicher Meinung umgeben und mit Quellen ähnlichen Inhalts gefüttert werden, spricht man von Echokammern oder Filterblasen. Die eigene Meinung und die eigenen Vorurteile werden immer wieder bestätigt und verstärken sich dadurch. Das ist zumindest die gängige Meinung, die vor allem rund um die Präsidentschaftswahlen in den USA heiß diskutiert wurde.

*Zusammen schlauer*
Nun stellen US-amerikanische Wissenschaftler_innen in einer aktuellen Studie die vielbeschworene Gefahr von Echokammern in Frage. In ihrer Studie untersuchten Joshua Becker und seine Kolleg_innen von der University of Pennsylvania und der George Washington University, wie sogenannte Schwarmintelligenz sich in Echokammern auswirkt. Es ist bekannt, dass viele Menschen gemeinsam auch dann intelligente Entscheidungen treffen oder Lösungen finden können, wenn die einzelnen Mitglieder der Gruppe nicht besonders helle sind. Wenn beispielsweise alle zusammen raten, wie viele Murmeln sich in einem Glas befinden, kommen sie gemeinsam dem richtigen Ergebnis schnell nahe. Das gilt vor allem für gemischte Gruppen. Aber wie ist es mit politischen Fragen, noch dazu, wenn die Gruppe aus lauter Gleichgesinnten besteht?

*Antworten werden präziser, auch wenn Gleichgesinnte unter sich bleiben*
Das Forschungsteam hatte in einer vorangegangenen Studie bereits gezeigt, dass die Interaktion zwischen verschiedenen Gruppen – hier zwischen US-amerikanischen Republikanern und Demokraten - dazu führen kann, dass die Gräben zwischen beiden kleiner werden. Überraschenderweise passiert das aber auch innerhalb von Echokammern. Die Forscher_innen ließen nämlich in ihrer neuen Studie Anhänger_innen der Republikaner oder der Demokraten jeweils unter sich bestimmte politische Fragen beantworten. Es ging dabei um Fragen, hinter denen auch bestimmte politische Ansichten stehen und die häufig zu von der Gesinnung gefärbten Antworten führen, etwa: "Wie stark hat sich die Zahl der nicht registrierten Einwanderer in den letzten 10 Jahren verändert?" Oder: „Wie hat sich die Arbeitslosigkeit unter Barack Obama entwickelt?“ Es zeigte sich, dass die individuellen Antworten nach einem Austausch mit Gleichgesinnten um 35 % akkurater wurden. Obwohl die Einstellung sich unter den Mitgliedern der eigenen Gruppe immer mehr annäherte, wurde sie zugleich auch der Einschätzung der anderen Gruppe ähnlicher. Die republikanische und die demokratische Gruppe näherten sich also an, ohne miteinander diskutiert zu haben.

*Echokammern müssen nicht polarisieren*
Für die Forscher_innen wird damit deutlich, dass Schwarmintelligenz schwerer wiegen kann als der Echokammer-Effekt und diese möglicherweise gar nicht so fürchtenswert ist, wie gedacht. Politische Fragestellungen, die sich auf Fakten und Wissen beziehen, können auch dann genauer beantwortet werden, wenn man sich nur mit Gleichgesinnten austauscht. Die Gegensätzlichkeit von politischen Gruppen kann dadurch sogar reduziert werden.
Die Wissenschaftler_innen betonen allerdings, dass ihre Testpersonen alle den Wunsch hatten, korrekte und präzise Antworten auf die gestellten Fragen zu finden. Diskussionsteilnehmer_innen oder Politiker_innen, die es auf Konfrontation abgesehen haben, haben dies aber möglicherweise gar nicht im Sinn 😉.

Quelle:

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung via eurekalert.org - Stand: 16. Mai 2019