Gefühle haben Ecken und Kanten

Forschung: Auch in Formen, der Architektur und in Schriftarten werden Emotionen sichtbar.

Wütende und traurige Form von Studienteilnehmer*innen; Wütende Formen hatten im Schnitt 23,3 Ecken (rote Punkte), traurige 6,6. Bild zusammengestellt von Beau Sievers

Menschen drücken ihre Gefühle über ihre Stimme, ihr Gesicht und ihre Körpersprache aus. Aber Gefühle können auch in abstrakten Formen sichtbar werden: in der Architektur, in der Musik, sogar in Schriftarten. Kommt ein schnörkeliger, geschwungener Schriftzug daher, ahnen wir, es wird romantisch. Prangt eine zackig-eckige Schrift auf einem Platten-Cover wissen wir, dass uns keine Gute-Nacht-Lieder erwarten.

Ein Forschungsteam um Beau Sievers von der Harvard University kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass in allem eine emotionale Botschaft stecken kann und dass diese sich stets auf ähnliche Weise ihren Weg zu unseren Sinnen bahnt. Die Wissenschaftler_innen vergleichen das Prinzip mit der sogenannten Schwerpunktwellenlänge (spectral centroid), die beispielsweise das Zentrum bzw. die Balance zwischen hohen und tiefen Frequenzen beschreibt.

Am Beispiel der Stimme lässt sich das gut visualisieren. Eine emotional aufgeregte Stimme zeigt in der Tonhöhe stärkere Ausreißer nach oben. Eine ruhige Stimme verläuft geradliniger ohne größere Ausschläge und bewegt sich frequenzmäßig im tieferen Bereich. Wir erkennen beim Hören instinktiv, dass eine höhere Schwerpunktwellenlänge mit größerer gefühlsmäßiger Aufregung einhergeht. Und das funktioniert auch in anderen Bereichen.

Denn man kann sich gut vorstellen, wie eine ruppige Schrift auf einer Skala verlaufen würde, mit spitzen Zacken nach oben und unten, und eine weiche, geschwungene Schrift, die mehr im mittleren Bereich verläuft. Oder ein Zen-Garten im Vergleich zur schroffen Festung Saurons in "Herr der Ringe".

So wird auch ersichtlich, was Wolken und Gutenachtlieder gemeinsam haben. Sie haben keine "Zacken" und erscheinen uns dadurch friedvoll und unaufgeregt.

Sievers und seine Kolleg_innen hatten in mehreren kleinen Experimenten ausprobiert, in welchen Bereichen das Lesen und Aussenden dieser emotionalen Botschaften funktioniert. Sie ließen Testpersonen Töne und Formen bewerten oder selbst produzieren und immer wieder bestätigte sich, dass wir Menschen emotionale Erregung auf einen Blick (und mit halbem Ohr) erkennen und auch selbst so darstellen können, dass sie von anderen richtig gedeutet wird.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 15. Juli 2019