Amtsdeutsch: Der Hä-Effekt

Leipziger Sozialwissenschaftlerin untersuchte Verständlichkeit von Hartz-IV-Bescheiden

Die einen haben sie im Briefkasten und verstehen nur Bahnhof, die anderen machen eine Doktorarbeit daraus: Post vom Jobcenter. Diese ist teilweise so kryptisch, dass die Sozialwissenschaftlerin Ulrike Leistner von der  Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) sie im Rahmen ihrer Promotion mal genauer unter die Lupe genommen hat. Schließlich werden zahlreiche Hartz-IV-Bescheide vor den Sozialgerichten angefochten - teils weil sie tatsächlich fehlerhaft sind, teils aber, weil es Missverstädnnisse gab.

Leistner analysierte 20 Beratungsgepräche und befragte über 200 Sozialarbeiter_innen in Erwerbslosenberatungsstellen, also unabhängigen Anlaufstellen, in denen Arbeitslose zu ihren Jobcenter-Schreiben beraten werden. Dabei fand sie heraus: Eine Hauptursache für die Verständigungsprobleme ist tatsächlich das komplizierte Amtsdeutsch sowie die hochkomplexe Rechtslage. Darüber hinaus ist es aber auch die Logik einer Behörde, die vielen Erwerbslosen unverständlich ist. Dazu kommt als große Barriere, dass viele Erwerbslose generell an der Aufrichtigkeit und dem Wohlwollen des Jobcenters zweifeln.

*Wie kann Amtsdeutsch verständlicher werden?*
„Tatsächlich haben die Jobcenter schon vor Jahren erkannt, dass sie ihre Schreiben überarbeiten müssen. Allerdings hat die Überarbeitung zu keinen substantiellen Verbesserungen geführt“, so Leistner zu einem weiteren Ergebnis ihrer Doktorarbeit. Um eine bessere Verständigung zwischen Jobcentern und Erwerbslosen zu erreichen, mahnt die Wissenschaftlerin zwei drängende Nachbesserungen an: eine leichte, allgemeinverständliche Sprache sowie eine bessere direkte Erreichbarkeit der Jobcentermitarbeiter_innen. Sie insistiert: „Verständigungsbarrieren in Verwaltungsschreiben sind kein leidliches Übel, das man hinnehmen muss. Ganz im Gegenteil: Behörden sind in der Bringschuld, ihr Handeln transparent und nachvollziehbar zu gestalten, um die Akzeptanz der Demokratie und des Rechtsstaats zu erhalten“, so Ulrike Leistner.

Vom unverständlichen Amtsdeutsch können nicht nur Jobccenter-Kund_innen ein Liedchen singen. Eine 2009 erschienene repräsentative Umfrage der Gesellschaft für deutsche Sprache kam schon damals zu dem Ergebnis, dass 86% der erwachsenen Bevölkerung, die in Deutschland mit Schreiben von Ämtern, Behörden, Gerichten oder Anwaltskanzleien konfrontiert sind, Schwierigkeiten beim Verständnis solcher Texte haben. Geändert hat sich seitdem allerdings herzlich wenig.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 4. April 2019