Die verborgenen Wissenschaftlerinnen

Die Untersuchung von Forschungsarbeiten der letzten Jahrzehnte zeigt, wie die Arbeit von Wissenschaftlerinnen übersehen wurde

Von der DNA-Pionierin Rosalind Franklin bis zu den Mathematikerinnen, die im US-Film "Hidden Figures" bei der NASA tätig waren - allmählich kommen die historischen Beiträge, die Frauen zu bahnbrechenden  wissenschaftlichen Entwicklungen beigetragen haben, ans Licht. Eine neue Studie von Forscher_innen der San Francisco State University widmete sich nun der Frage, wie man die einst verborgene wissenschaftliche Arbeit von Frauen aufdecken könnte, und analysierte Forschungsarbeiten aus den vergangenen Jahrzehnten auf dem Gebiet der theoretischen Populationsbiologie, die auf die Methoden der Informatik und Mathematik angewiesen sind. Was sie dabei herausfanden, erstreckt sich weit über dieses spezielle Wissenschaftsgebiet hinaus, und die historische Verzerrung, die die Forschung aufdecken konnte, wirkt sich heute immer noch auf die Repräsentation von Frauen in dieser Wissenschaft aus.

"Was unsere Arbeit zeigt, ist, dass es tatsächlich Frauen gab, die auf dem Feld arbeiteten", erzählt Rori Rohlfs, Biologie-Professorin an der San Francisco State University. "Aber wir wussten nicht einmal, dass sie existieren." Um einen Einblick in die Geschichte ihrer Fachrichtung zu gewinnen, nutzten Rohlfs und ihre Kolleginnen die Struktur wissenschaftlicher Forschungsarbeiten. Denn um als Wissenschaftler_in Anerkennung für seine oder ihre Arbeit zu erhalten, Arbeitsplätze und Forschungsförderung zu bekommen, muss man in erster Linie als "Autor_in" einer wissenschaftlichen Arbeit auftauchen. Natürlich wird diese Arbeit nicht nur von einer einzigen Person geschrieben, aber diejenigen, die etwas weniger beigetragen haben, tauchen dann nur im Abschnitt "Danksagungen" auf, ganz am Ende, begraben unter anderen Forschernamen und höchst selten gelesen.

Programmiererinnen im Abspann

Obwohl eine Autorenschaft für den beruflichen Erfolg so wichtig ist, gibt es keine einheitlichen Regeln dafür, wie viel Arbeit geleistet werden muss, um als Studienautor_in anerkannt zu werden. Als Rohlfs und ihre Kollegin Huerta-Sanchez feststellten, dass viele Frauen jahrzehntelang nur im Danksagungsteil erschienen waren, obwohl sie wichtige Beiträge in der Programmierarbeit geleistet hatten, wollten die Wissenschaftlerinnen messen, wie sehr die wissenschaftliche Arbeit von Frauen übersehen worden war.

Rohlfs ließ Daten über die Autor_innen und Danksagungen von 883 Arbeiten aufzeichnen, die zwischen 1970 und 1990 in der Fachzeitschrift Theoretical Population Biology veröffentlicht wurden. Dabei stellte sich heraus, dass sich ein hoher Anteil von Frauennamen in den Danksagungen befand: Frauen machten 43,2 Prozent der darin als Programmierer genannten Personen aus, stellten aber nur 7,4 Prozent der genannten Autoren.

Im Laufe der Jahrzehnte, so zeigt die Studie, schrumpfte der Anteil der Programmiererinnen in den Danksagungen allerdings, was mit gravierenden Veränderungen in der Arbeitswelt zu tun hatte: Die bis dahin eher als ein "Frauenjob" wahrgenommene Programmier-Tätigkeit wurde öffentlich repräsentativer und damit zu einem Männerberuf.

Ausgebremste Karrieren

"Einige dieser Programmiererinnen machten wirklich kreative Arbeit und leisteten erhebliche Beiträge, die sie heute wahrscheinlich für die Autorenschaft qualifizieren würden", so Rohlfs. Mehrere Namen tauchten immer wieder auf - wie Margaret Wu, die an einer Studie mitgearbeitet hatte, die eine Methode zur Schätzung der genetischen Vielfalt beschrieb. Diese Arbeit wurde zu einer der einflussreichsten, die jemals in der Zeitschrift veröffentlicht wurde.

Da diesen Frauen für ihre Arbeit nie die gebührende Anerkennung zuteil wurde, wurde ihnen die Möglichkeit verwehrt, als Wissenschaftlerin voranzuschreiten, was sich nachhaltig auf das Forschungsgebiet ausgewirkt haben könnte. Während Frauen zunehmend in eng verwandten Bereichen wie der Evolutionsbiologie erfolgreich sind, hinken die Biologiedisziplinen hinterher, in denen Programmierung eine große Rolle spielt. "Die Populationsgenetik ist auf der Ebene der Fakultäten nach wie vor männlich geprägt", so Rohlfs. "Zum Teil könnte das daran liegen, dass Frauen, die darüber nachdachten, in welches Teilgebiet der Biologie sie einsteigen wollten, dort keine Frauen vorfanden."

Ein Ziel der Studie war es, diese Dynamik zu verändern, indem die historischen Beiträge von Frauen hervorgehoben wurden. "Frauen hier sichtbarer zu machen, könnte tatsächlich dazu beitragen, die Gerechtigkeit in diesem Wissenschaftszweig zu verbessern", sagte Rohlfs.

Aber die Populationsgenetik ist bei weitem nicht der einzige Bereich, in dem Programmiererinnen in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt haben. Das Team plant daher, nach weiteren Spuren von verborgenen Beiträgen von Frauen in der Wissenschaft zu suchen, und hofft, dass ihre Studie anderen Wissenschaftler_innen als Inspiration dienen wird, die Geschichte ihrer eigenen Disziplinen unter die Lupe zu nehmen.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung