Virtuell genial

Embodiment-Experiment: Was passiert, wenn Testpersonen in Einsteins Haut schlüpfen

Der menschliche Körper lässt sich ziemlich leicht austricksen. Wenn man ihm visuell vorgaukelt, ein anderer zu sein, dann hat das auch Einfluss auf sein Verhalten und eventuell sogar auf seine kognitiven Fähigkeiten. 
Das sogenannte Embodiment (etwa: Verkörperung) wurde schon vielfach untersucht, mit teilweise verblüffenden Ergebnissen. In der Psychologie meint Embodiment, dass Körper und Geist wechselseitig aufeinander wirken, dass nicht nur Gefühle und Gedanken den Körper beeinflussen, sondern auch umgekehrt.

Mit der Virtual Reality Technologie kann ein Mensch nun ganz wahrhaftig in eine andere Haut schlüpfen. Er sieht sich im Spiegel und sieht ein fremdes Gesicht, aber weil die virtuelle Figur den eigenen Bewegungen so perfekt angepasst ist, kann er sich mit ihr identifizieren, sich als diese fremde Person fühlen und das mit Folgen. In vergangenen Studien konnte etwa gezeigt werden, dass Testpersonen, die in eine schwarze Haut schlüpften, weniger unbewusste Vorurteile gegen Schwarze an den Tag legten.

In einem aktuellen Experiment von Wissenschaftler_innen um Mel Slater der Universität von Barcelona wurde nun überprüft, was passiert, wenn Menschen in die Haut Albert Einsteins schlüpfen. Kann das die kognitive Leistung beeinflussen? Können wir knifflige Aufgaben besser lösen, wenn wir in der virtuellen Haut eines Supergenies stecken? Haben wir dann Zugriff auf Hirnkapazitäten, die uns sonst verwehrt bleiben?

*Virtueller Einstein pimpt das Gehirn*
Die Forscher_innen testeten diese Hypothesen in einem Embodiment-Experiment mit 30 jungen Männern. Vor dem eigentlichen Experiment durchliefen sie diverse Tests, in denen neben ihrer Planungs- und Problemlösefähigkeit auch ihr Selbstwertgefühl und unterschwellige Vorurteile gegenüber älteren Menschen ermittelt wurden. Nach einem kurzen Training, schlüpften die Probanden über eine Virtual Reality Anwendung in die Haut einer gleichaltrigen Person oder in die von Albert Einstein. Nachdem sie einige Zeit in dem fremden Körper verbracht hatten, durchliefen sie erneut die Tests.
Vor allem Testpersonen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl, die dann in die Rolle Einsteins schlüpfen durften, profitierten von der virtuellen Körpererfahrung, was sich in besseren Ergebnissen in den kognitiven Tests niederschlug. Sie schnitten besser ab als diejenigen, die in den Körper eines unbekannten Gleichaltrigen geschlüpft waren.

*Weniger Vorurteile gegenüber älteren Menschen?*
Wer Einstein hautnah hatte erleben dürfen, wies anschließend auch weniger unbewusste Vorurteile gegenüber älteren Menschen auf. Solche Vorurteile entstehen vor allem durch die Wahrnehmung, dass der andere anders ist. Durch die Körperwahrnehmung in der virtuellen Realität kann man jedoch einen fremden Körper als den eigenen wahrnehmen, was das Gefühl des Andersseins offenbar deutlich reduziert.

Diese kleine Studie hat natürlich nur begrenzte Aussagekraft, da nur eine kleine Gruppe beteiligt war und viele andere Interpretationsmöglichkeiten in Frage kommen. Allerdings ist es ja durchaus nachvollziehbar, dass das schlüpfen in eine andere Haut auch andere Seiten in uns hervorkitzelt. An Karneval und auf der Bühne lässt sich das seht gut beobachten. Wäre es möglich, Vorurteile durch virtuelle Erfahrungen zu reduzieren und gleichzeitig den eigenen Horizont zu erweitern, dann würden einem doch gleich eine ganze Reihe von Anwendungsmöglichkeiten einfallen.

Die Ergebnisse der Studie sind im Fachmagazin Frontiers in Psychology erschienen.

Quelle:

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 10. Juli 2018