Von wegen "schwaches Geschlecht"

Prähistorische Frauen waren kräftiger als Spitzensportlerinnen von heute

Frauen werden - auch wenn es oft scherzhaft gemeint ist - immer noch gerne als das "schwache Geschlecht" gesehen und bezeichnet. Dabei wird argumentiert, dass dies seit Jahrtausenden und deshalb ein unveränderlicher Status quo sei, aber stimmt das wirklich? Jetzt bringt eine Studie frischen Wind in diese verkrusteten Vorstellungen und zeigt auf, dass unsere weiblichen Vorfahren aus prähistorischer Zeit sogar kräftiger waren als Leistungssportlerinnen von heute.

Forscher_innen an der University of Cambridge und der Universität Wien untersuchten die Knochen mitteleuropäischer Frauen, die während der ersten 6.000 Jahre der Agrargeschichte lebten, und verglichen sie mit den Knochen heutiger Athletinnen und stellten fest: Die durchschnittlichen prähistorischen, landwirtschaftlich tätigen Frauen hatten kräftigere Oberarme als Spitzenathletinnen der heutigen Zeit.

Wieso diese Erkenntnis erst jetzt ans Tageslicht kommt, liegt daran, dass bioarchäologische Untersuchungen bisher ausschließlich Knochen von Frauen mit jenen von Männern verglichen haben. Allerdings reagieren männliche Knochen wesentlich drastischer auf Belastungen als weibliche. Den Wissenschafter_innen zufolge führte dies dazu, dass man Art und Ausmaß der körperlichen Anforderungen an prähistorische Frauen bisher systematisch unterschätzt hat.

"Es wird oft vergessen, dass Knochen lebendes Gewebe ist, das auf die Belastungen reagiert, denen wir unsere Körper aussetzen. Durch körperliche Beanspruchung und die Muskelaktivität werden Knochen derart belastet, dass sich ihre Form, Krümmung, Stärke und Dichte über die Zeit hinweg verändern, um wiederholten Belastungen standhalten zu können", erklärt Alison Macintosh von der Universität Cambridge.

*Unbekannte Geschichte von Frauenarbeit*
Die aktuelle Studie analysierte die Knochen der Oberarme (humerus) und Schienbeine (tibia) heute lebender Frauen, die unterschiedlich körperlich aktiv sind: von Sportlerinnen wie Läuferinnen oder Ruderinnen zu Frauen, die ihren Alltag eher sitzend verbringen. Die Knochenstärke der modernen Frauen wurde mit jener von Frauen der neolithischen landwirtschaftlichen Ära bis hin zu Frauen aus dem mittelalterlichen Bauernstand verglichen.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Beinknochen der untersuchten neolithischen Frauen (die vor 7.400 bis 7.000 Jahren lebten) eine ähnliche Knochenstärke aufwiesen wie die der heutigen Athletinnen. Ihre Armknochen waren jedoch um 11 bis 16% stärker als die der lebenden Sportlerinnen und um fast 30% stärker als die Armknochen einer durchschnittlichen Studentin in Cambridge.

Eine mögliche Erklärung für diese außergewöhnliche Kraft in den Armen sehen die Forscher_innen im Mahlen des Getreides, was eine der Hauptaktivitäten in den frühen Agrargesellschaften war, die höchstwahrscheinlich von Frauen erledigt wurde. Jahrtausendelang wurde Getreide per Hand zwischen zwei großen Mahlsteinen gemahlen. In den wenigen Gesellschaften, wo Mahlsteine noch heute Verwendung finden, sind es zumeist Frauen, die für bis zu fünf Stunden pro Tag Getreide mahlen.

Die Interpretation von weiblichen Knochen in einem frauenspezifischen Kontext zeigt deutlich, wie intensiv, unterschiedlich und mühsam ihre Tätigkeiten waren. Die Daten tragen somit dazu bei, dass ein Stück bislang unbekannte und "versteckte" Geschichte von Frauenarbeit über Tausende von Jahren hinweg dokumentiert wird.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemeldung - Stand: 9. Januar 2018