Musik aus Einsen und Nullen

Antonia Manhartsberger studiert Computermusik am Institut für elektronische Musik und Akustik (iem) der Kunstuni Graz (KUG). Das hat wenig mit Club- oder Popmusik zu tun, dafür aber viel mit Ausprobieren und neuen Klängen.

Bild: (c) Betty Blitz

Bei den Worten elektronische Musik haben viele Leute sofort ein Wummern im Ohr und denken an Techno, House oder EDM. Musik, die einen auf Festivals oder in Clubs mit den Ohren schlackern lässt. Dabei versteckt sich hinter dem Begriff noch viel mehr. Wer elektronische Komposition oder Computermusik studiert kann viel ausprobieren und mit (neuen) Klängen, Tönen und Algorithmen experimentieren.

*Womit befasst sich das Studium der Computermusik?*
Das Studium befasst sich mit den unterschiedlichen Kompositionsmöglichkeiten elektronischer Musik. Das Hauptfach heißt "Elektroakustische Komposition". In dessen Rahmen wird jedes Semester ein Stück erarbeitet. In den ersten Semestern des Bachelorstudiengangs gibt es relativ konkrete Angaben dazu, wie etwa die Komposition eines Tonbandstückes oder eines rein synthetischen Stückes. Später ist das offener und man kann auch interaktive Installationen, multimediale Stücke usw. machen. Hauptsächlich wird am Computer, mit spezifischen Entwicklungsumgebungen für Musik gearbeitet wie z.b. SuperCollider oder PureData. Im Fach "Klangsynthese" werden die Programmiersprache und die entsprechenden theoretischen Basics gelernt. Es gibt einige ziemlich technische Fächer wie "Digitale Verfahren", "Signalverarbeitung", "Studiotechnik", "Elektroakustik" und "Akustik". Man lernt aber auch die Geschichte der elektronischen Musik mit ihren Strömungen und wichtigen Vertretern, Studios und Technologien und Werkanalyse kennen. Andere Fächer sind praktisch und es wird ein Stück oder eine Installation gemacht, wie etwa im Rahmen von generativer Musik und algorithmischer Komposition (dabei entwickelt man mathematische Prinzipien, mit denen man neue Klänge finden kann), Klangkunst und Live-Elektronik. Es gibt außerdem eine spezielle Gehörbildung für Computermusiker_innen.
Außerdem kann man über das Studium hinweg unterschiedliche Instrumente wie den modularen Synthesizer ausprobieren oder selbst Micro-controller, analoge Schaltkreise oder ein Theremin (ein Instrument, das man ohne Berührungen spielen kann) basteln und es finden immer wieder Workshops und Lectures und natürlich Konzerte statt.

*Wie bist du auf den Studiengang Computermusik gekommen?*
Ich habe vorher an der Uni Wien Musikwissenschaft studiert. Im Rahmen meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit elektronischer „Raummusik“ beschäftigt. Schon seit den 60er Jahren gibt es elektronische Musik bei der die Verteilung des Klangs über Lautsprecher im Raum von zentraler Bedeutung ist. Mit Hilfe unterschiedlicher technologischer Vorrichtungen ist es möglich, ein dreidimensionales Klangpanorama im Raum zu komponieren und Klänge durch den Raum fliegen zu lassen. Damals wie heute gab und gibt es wenige Räume in denen so eine Musik realisierbar ist. Bei meinen Recherchen bin ich auf das iem gestoßen. Dort gibt es ein Studio mit einer 24 Lautsprecher Kuppel (iem Cube). Zufällig habe ich dann auf der Webseite den Studiengang gefunden und mich beworben.

*Wie ist das Bewerbungsverfahren für Computermusik an der KUG?*
Das Bewerbungsverfahren für Bachelorstudierende besteht aus mehreren Teilen. Zur Anmeldung sendet man zwei Beispiele von eigenen Arbeiten, die etwas mit elektronischer Musik zu tun haben sollten.
Die Prüfung besteht aus dann zwei unterschiedlichen Gehörtests:
1. Seashore Test
2. Melodie- und ein Rhythmusdiktat, Erkennung von Tongeschlechtern, Taktarten, Dreiklängen und Instrumenten
Und einem Theorietest: Musikalische Grundbegriffe, Intervallbildung, Tonleiterbildung samt leitereigenen Dreiklängen, Skalenanalyse, Dreiklangsumkehrungen und Rhythmusnotation usw.
Wenn man die Prüfung bestanden hat (und das ist wirklich schaffbar), wird man zum Prüfungsgespräch eingeladen. Im Gespräch wird über die vorgelegten Arbeiten gesprochen und geschaut, ob die Erwartungen der Bewerber_in mit den Inhalten des Studiums übereinstimmen.

*Welche Erwartungen hattest du an das Studium? Und welche wurden erfüllt?*
Ich hatte ehrlich gesagt kaum Erwartungen. Meine Bewerbung war ganz spontan und ich bin auch nicht davon ausgegangen, tatsächlich aufgenommen zu werden. Ich hab mich daher einfach mal auf das eingelassen, was auf mich zugekommen ist und war total glücklich damit. Für mich war es großartig anzukommen, mit meinen Ideen ernst genommen zu werden und alle Studios und die Technik verwenden zu dürfen, manchmal bis spät nachts. Wenn mal was nicht so einfach funktioniert, findet man immer wen, der gerne hilft.

*Hast du schon einmal daran gezweifelt, ob du das richtige studierst?*
Ich habe natürlich auch schon gezweifelt, ob das Studium zielführend für mich ist. Es ist ein total spezifisches Studium und auch wenn es so scheint, als würde man allerhand Unterschiedliches lernen, wird es in Zukunft nicht leicht sein beruflich Fuß zu fassen. Und Kunst zu machen, bringt ja auch immer die Frage nach dem Sinn mit sich.
Viel öfter aber, wenn ich Musik komponiere, mit anderen zusammen spiele, darüber debattiere oder Konzepte erarbeite, dann weiß ich: Das ist genau das, was ich machen will. Ich liebe es, stundenlang mit den Möglichkeiten der digitalen Klangwelt zu experimentieren und unterschiedliche Medien auszuprobieren.

*Was gefällt dir besonders gut an deinem Studium und was nicht so sehr?*
Am besten gefällt mir, dass man in wenigen Jahren doch einen guten Überblick bekommt und Skills entwickelt, selbstständig Stücke zu komponieren und Installationen oder Performances zu entwickeln. Im Vordergrund steht während des ganzen Studiums die eigene künstlerische Praxis. Im Einzelunterricht wird man dabei kompetent und respektvoll begleitet und unterstützt.
Das Institut ist auf dem Campus der technischen Universität, was zwar praktisch ist, aber auch eine gewisse Sterilität mit sich bringt. Und die Atmosphäre lädt nicht so sehr zu freien künstlerischen Auseinandersetzungen ein. Das akademische Umfeld bringt auch starre Konventionen und Formalitäten mit sich.

*Welche Berufsmöglichkeiten ergeben sich aus deinem Studium?*
Grundsätzlich wäre das Berufsbild das eine_r Komponist_in. Es ist natürlich nicht ganz so leicht davon zu leben. Mit viel Einsatz kann man sich dann mit Residencies (Stipendien oder bezahlte Programme kunstschaffender Häuser), Aufträgen und kleinen Projekten über Wasser halten. Es bietet sich an, danach im Bereich der künstlerischen Forschung weiterzuarbeiten und eine akademische Karriere anzuvisieren.

*Wo siehst du dich in fünf Jahren?*
In 5 Jahren wünsche ich mir in einer anderen Stadt der Welt künstlerisch forschend in einem Kollektiv an einem Herzensthema zu arbeiten. Das wäre zum Beispiel die Beschäftigung mit Raum und Klang und den Potentialen neuer Technologien unter Berücksichtigung soziologischer und politischer Fragen.

*Welche Interessen und sonstige Eigenschaften sollte man für das Studium mitbringen?*
Ich denke, ganz wichtig ist die Neugier, aber das gilt für jedes Studium. Man sollte auch eine Faszination für die Vielfalt klanglicher Möglichkeiten und Lust am Experimentieren haben. Von Vorteil ist ein Interesse an Technologie, Akustik, Programmieren und neuer Musik. Ich glaube das Schöne an einem Kunststudium ist, dass jeder Charakter willkommen ist und es für alle Fragestellungen verschiedene Lösungen geben kann.

*Wem würdest du von dem Studium eher abraten?*
Ich würde all jenen vom Studium abraten, die erwarten dort Club Sound produzieren zu lernen oder DJ zu werden. Pop und Clubkultur kommen im Studium kaum vor.

*Ohne … geht in diesem Studium gar nichts!*
Strom

*Und was machst du neben dem Studium?*
Neben dem Studium arbeite ich 20 Stunden an der TU Graz an der Produktion von Lehr- und Lernvideos. Außerdem spiele ich in der Band Frau Sammer und organisiere regelmäßig reine elektro Jam Sessions. Und sonst bin ich Teil des feministischen Kollektivs „Antisexistisches Glitzern“ und lege manchmal als DJ Auto auf. Bis Ende August bin ich derzeit auf Auslandssemester in São Paulo und bin sehr begeistert. Es gibt eine super diverse Szene elektronischer Musik mit coolen Leuten und großartigen Veranstaltungen.

Studieren kann man zum Beispiel...

Autorin / Autor: Karla Groth / Antonia Manhartsberger , Bild: (c) Betty Blitz - Stand: 20. Mai 2019