Höflichkeit führt zum Erfolg

Studie: Freundliche Held_innen in Zaubermärchen haben mehr Glück

Warum schafft es eine Märchenfigur wie Schneewittchen, die vor ihrer bösen Stiefmutter durch einen dunklen Wald und über sieben Berge fliehen muss, schließlich von den sieben Zwergen liebevoll aufgenommen zu werden? Ja, sie ist schön, aber obendrein ist sie auch sehr nett und freundlich. Und diese kommunikative Strategie ist laut der Wissenschaftlerin Dr. Gergana Börger der eigentliche Grund für ihren Erfolg. Dieses Muster fand sie auch bei zahlreichen anderen Märchenheld_innen, die sie für ihre gerade erschienene Dissertation "Höflichkeitsformen in bulgarischen, deutschen und russischen Zaubermärchen" untersucht hatte. Ihre These: Held_innen im Märchen sind erfolgreicher, wenn sie höflich sind.

Die Wissenschaftlerin, die am Institut für Slawistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena promoviert wurde, untersuchte je 30 klassische Märchen aus dem Deutschen, Russischen und Bulgarischen und verglich diese anhand von linguistischen und kulturwissenschaftlichen Konzepten miteinander. Ihre Untersuchungs-Kriterien waren Anreden, Grußformen, Bittstellungen, Dankesworte und Diskretionsformen wie zum Beispiel Verbote.

*Kreativer Umgang mit Tabus*
Für die Wissenschaftlerin ist Höflichkeit aber nicht nur eine kommunikative Strategie, um sich beim Gegenüber Verhandlungsvorteile zu verschaffen. In höflichen Redewendungen kämen ebenso bestimmte Wertvorstellungen in sprachlicher Form zum Ausdruck. "Letztlich ist Höflichkeit der kreative Umgang mit über Jahrhunderte in der Kultur festgesetzten Ritualen und Tabus", so die Lektorin für Bulgarisch.

Zwar fand sie in russischen und deutschen Märchen ähnliche oder gleiche Konzepte von Höflichkeit, aber sie erkannte auch Unterschiede, die sie aus kulturwissenschaftlicher Perspektive erklärt. Einer davon sei, dass das Gemeinschaftsgefühl, auch unter fremden Personen, in Russland aber ganz besonders in Bulgarien stärker ausfalle, deshalb fänden sich in Märchen dieser Kulturkreise auch deutlich mehr Formen von Solidaritätshöflichkeit.

Dass in osteuropäischen Staaten das kollektive Bewusstsein, während in westeuropäischen Staaten das individualistische Denken stärker ausgeprägt ist, hat die Wissenschaftlerin nicht überrascht. Dass sich dieses kulturelle Selbstverständnis aber bereits in den Volksmärchen wiederfindet, die zum Großteil aus den Erzählungen des Mittelalters hervorgingen, hingegen schon.

Für ihre Studie hat Gergana Börger die Häufigkeit von Höflichkeitsformen, die in den Zaubermärchen auftauchen, gezählt und eigene Statistiken erhoben. Außerdem liefert sie zu ihren Ergebnissen Deutungs- und Erklärungsansätze aus der Kulturwissenschaft.

Autorin / Autor: Redaktion/Pressemitteilung - Stand: 18. Mai 2015