Ich, immer, einsam

Forschung: Depressive verwenden Sprache auf eine besondere Weise

Menschen mit Depressionen verwenden Sprache anders, das kann für die Diagnose und Vorhersage depressiver Störungen hilfreich sein. Schon immer hat Sprache bei der Diagnose psychischer Erkrankungen eine wichtige Rolle gespielt, nur mussten die Ärzte früher mit Stift und Zettel bewaffnet aufmerksam zuhören. Heute können dank moderner computergestützter Textanalyse riesige Datensätze in Sekundenschnelle analysiert und dabei Merkmale entdeckt werden, die selbst dem aufmerksamsten Zuhörer entgehen. Wissenschaftler_innen der University of Reading um Mohammed Al-Mosaiwi analysierten 63 Internetforen mit insgesamt 6.400 Mitgliedern, in denen es um psychische Gesundheit geht und verglichen die Daten mit 19 thematisch anders ausgerichteten Foren (z.B. Momsnet, StudentRoom).
Dass Depressive häufiger negative Wörter verwenden wie "einsam", "traurig" oder "elend", leuchtet ein und ist bekannt. Tatsächlich fanden die Forscher_innen aber ein sprachliches Merkmal, das die Sprache von Menschen mit depressiven Störungen noch deutlicher kennzeichnet: die Verwendung von Ausdrücken wie "immer", "nie", "vollständig". 

Diese Ausdrücke tauchten in Foren, in denen Menschen mit Depressionen oder Angststörungen miteinander kommunizierten 50% häufiger auf als in den Vergleichsforen. Noch häufiger fanden die Ausdrücke in Foren Verwendung, in denen ich Menschen mit Selbstmordgedanken trafen. Die Forscher_innen glauben, dass vor allem die Verwendung solch absoluter Ausdrücke ein guter Indikator sein kann, um depressive Erkrankungen vorherzusagen.

Auch die Verwendung von Pronomen der 1. Person (me, myself, I) war ein recht typisches Merkmal. Depressive scheinen sehr auf sich selbst fokussiert und weniger mit anderen verbunden zu sein und verwenden dementsprechend auch seltener Pronomen in der zweiten oder dritten Person (z.B. you, she, them). Ob das daran liegt, dass depressive Menschen eher um sich selbst kreisen oder ob Menschen, die sich isolieren, eher depressiv werden, ist aber unklar.

Die Forscher meinen, dass ihre Analysen helfen, die Gedankenwelt depressiver Menschen besser zu verstehen. Außerdem könnten mit den Ergebnissen Algorithmen entwickelt werden, die lernen und immer besser darin werden, sprachliche Auffälligkeiten und die Gefahr an Depressionen zu erkranken besser zu erkennen

Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis intelligente Syseme an unseren Schulaufsätzen oder Postings in sozialen Netzwerken unsere psychische Verfassung ablesen können und uns dann gleich die passende Behandlung zukommen lassen können. Ob das gruselig ist oder fantastisch, das werden wir dann noch sehen ;-).

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 9. Februar 2018