Männlichkeit = Kompetenz?

Studie zeigt, dass wir einem männlich aussehenden Gesicht mehr zutrauen, selbst wenn es zu einer Frau gehört

Dass wir hinter attraktiven Gesichtern oft auch schlauere, erfolgreiche Personen vermuten, ist durch die Wissenschaft bereits hinreichend belegt. Nun hat eine neue Studie herausgefunden, dass wir unser Bewertungsschema auch von geschlechtsspezifischen Vorurteilen beeinflussen lassen: Finden wir, dass ein Gesicht einen kompetenten Eindruck macht, nehmen wir es offenbar als männlicher wahr und umgekehrt, so die Ergebnisse, die in der Zeitschrift der Association for Psychological Science veröffentlicht wurde.

Um herauszufinden, welche "visuellen Zutaten" nötig sind, damit wir eine Person als kompetent wahrnehmen, nutzten die Forscher_innen ein rechnerisches Kompetenzmodell aus früheren Forschungen, bei denen sie ermittelt hatten, welche Gesichts-Parameter überhaupt mit Kompetenz in Verbindung gebracht wurden. Daraufhin entwickelten sie ein Modell, mit dem sich Gesichter anahnd dieser Parameter digital verändern lassen.

In einem Online-Experiment zeigten die Forscher_innen mit diesem Modell 33 Teilnehmer_innen verschiedene Gesichter. Einige bewerteten die Kompetenz der Gesichter, andere bewerteten ihre Attraktivität. Die Ergebnisse zeigten, dass die Gesichter, die kompetenter aussehen sollten, auch als solche bewertet wurden, und sie wurden auch als attraktiver bewertet, was auch früheren Ergebnissen entspricht.

Aber der Forscher DongWon Oh und seine Kolleg_innen vermuteten, dass es wahrscheinlich noch andere Komponenten des Aussehens gab, die Kompetenz signalisieren.

"Mit den von uns entwickelten Berechnungsmethoden zur Visualisierung von Scheinstereotypen können wir die Attraktivität der kompetent aussehenden Gesichter buchstäblich beseitigen", sagt Oh. "Wir können dann testen, ob "kompetente" Gesichter noch immer kompetent erscheinen und prüfen, welche optischen Eigenschaften außer der Attraktivität den Eindruck auslösen, die Person sei kompetent."

Anhand dieses neuen Modells fanden die Forscher_innen heraus, dass die Teilnehmer_innen in die kompetenteren Gesichter auch Selbstbewusstsein und Männlichkeit hineinlasen, Eindrücke, die sich nicht durch Attraktivität erklären lassen.

Auch ein weiteres Online-Experiment ergab eine deutliche Geschlechterverzerrung: Als die Testpersonen gebeten wurden, Gesichter als entweder männlich oder weiblich zu identifizieren, tendierten sie dazu, kompetentere Gesichter als männlich und weniger kompetente Gesichter als weiblich zu bewerten.

Um zu untersuchen, ob diese Beziehung für männliche Gesichter und weibliche Gesichter ähnlich funktioniert, manipulierten die Forscher fotorealistische Bilder von männlichen und weiblichen Gesichtern, so dass sie in ihrer Männlichkeit variierten. Sie teilten 250 Online-Teilnehmer_innen zufällig zu, um die Kompetenz von männlichen oder weiblichen Gesichtern zu bewerten.

Auch hier zeigte sich eine geschlechtsspezifische Verzerrung: Je männlicher die Männer-Gesichter aussahen, desto höher lag die wahrgenommene Kompetenz. Bei weiblichen Gesichter traf diese Einschätuung nur bis zu einem gewissen Grad zu. War der überschritten und die Gesichter "zu männlich", wurden sie wiederum als weniger kompetent wahrgenommen.

Wenn man bedenkt, wie sehr die Kompetenz-Einschätzung die Wahl unserer Führungskräfte beeinflusst, sind das erschreckende Erkenntnisse. Denn wie Untersuchungen gezeigt haben, werden Personen mit "kompetenteren" Gesichtern eher als hochrangige Politiker_innen oder als Chefs von Großunternehmen gewählt.

"Problematisch ist, dass das kompetente Aussehen eines Menschen nicht seine eigentliche Kompetenz garantiert", sagt Oh. "Es versteht sich von selbst, dass diese geschlechtsspezifischen Vorurteile eine Bedrohung für die soziale Gerechtigkeit darstellen und ungerechte Rahmenbedingungen für alle schaffen."

Vielleicht sollten wir bei der nächsten Wahl alle mal darauf achten, WAS die Politiker_innen sagen und nicht, wie sie aussehen ;-).

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 12. Dezember 2018