Einfach mal quatschen

Studie untersuchte, was hilft, wenn man mit den eigenen Werten am Arbeitsplatz in der Minderheit ist

Unsere zunehmend polarisierte Gesellschaft macht natürlich nicht vor den Toren unserer Arbeits- und Ausbildungsplätze Halt. Immer häufiger finden sich Menschen in einem Team wieder, in dem sie entweder zu der einen oder zu der anderen Meinungsminderheit gehören. Das ist nicht nur unangenehm für die, die in dieser Minderheit sind, sondern wirkt sich auch auf die Arbeit aus. Eine neue Studie ergab, dass diejenigen, deren Werte - ob politisch oder auf anderen Gebieten - nicht mit der Mehrheit in ihrem Unternehmen übereinstimmen, das Gefühl haben, weniger respektiert zu werden, und sich daher bei der Arbeit auch weniger engagieren.
"Das ist ein echtes Problem, mit dem Unternehmen konfrontiert sind", sagte Tracy Dumas, Hauptautorin der Studie und außerordentliche Professorin für Management und Personalwesen am Fisher College of Business der Ohio State University.
"Unternehmen wissen, dass es wertvoll ist, Mitarbeiter mit unterschiedlichen Perspektiven zu haben. Aber wenn die Mitarbeiter mit unterschiedlichen Sichtweisen das Gefühl haben, dass sie nicht respektiert werden und sich deshalb nicht voll in ihre Arbeit einbringen, können die Unternehmen die Vorteile ihrer einzigartigen Sichtweisen nicht voll ausschöpfen."

In der Studie wurde jedoch offenbar eine Möglichkeit gefunden, wie man dieses Problem lösen könnte: Wenn die Angehörigen einer "Werte-Minderheit" mit ihren Kolleg:innen über persönliche Dinge sprechen, die nichts mit den strittigen Werten zu tun haben, kann sich die Situation entspannen, ergaben verschiedene Experimente.

"Werte-Minderheiten"

Als "Werte-Minderheiten" wurden diejenigen definiert, deren Grundüberzeugungen in Bezug auf Politik, Religion oder andere wichtige Lebensbereiche mit der Mehrheit der Menschen in ihren Organisationen nicht übereinstimmten. Dumas betonte, dass in der Studie explizit Werte und nicht Meinungen untersucht wurden. Werte können zwar Meinungen beeinflussen, aber Werte seien schwieriger zu ändern, weil sie zum Selbstverständnis einer Person gehörten.

Die Forscher:innen führten Studien mit erwachsenen Vollzeitbeschäftigten in einer Online-Umgebung, mit einer studentischen Projektgruppe, die ein Semester lang zusammenarbeitete, und mit Student:innen im Labor durch - alle mit ähnlichen Ergebnissen.

Bei der Online-Studie mit 389 Vollzeitbeschäftigten sollten sich die Teilnehmer:innen vorstellen, in einer Arbeitsgruppe eng mit gleichgestellten Kolleg:innen zusammenzuarbeiten. Einigen wurde gesagt, dass ihre Werte mit denen der Kolleg:innen in Fragen wie gemeinschaftliche Verantwortung, individuelle Freiheit und Sicherheit kollidierten. Anderen wurde gesagt, ihre Werte seien ähnlich.

Um herauszufinden, welchen Einfluss das Sprechen über eigene Erlebnisse hat, sollten sich einige vorstellen, sie sprächen mit ihren Kolleg:innen oft über Themen, die nichts mit der Arbeit zu tun hätten, z. B. über Unternehmungen am Wochenende, Lieblingsspeisen oder Freundschaften.

Andere sollten sich vorstellen, dass sie selten über persönliche Themen und meist nur über die Arbeit sprachen. Beide Gruppen durften aber nicht  nicht über ihre persönlichen Werte sprechen. Alle Teilnehmenden gaben dann auf einer Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 7 (stimme voll zu) an, ob sie sich von ihren Kolleg:innen respektiert fühlten. Als nächstes sollten sie sich vorstellen, dass eine wichtige Gruppensitzung bevorstehe, in der es darum ging,  wie sie einen neuen und wichtigen Kunden gewinnen könnten. Die Teilnehmer:innen sollten auch hier wieder angeben, inwieweit sie glaubten, dass sie sich in der Sitzung engagieren würden, indem sie Aussagen wie "Ich würde mich voll anstrengen" und "Ich wäre konzentriert, wenn ich die Arbeit in meiner Gruppe erledige" machten.

Mehr Respekt

Die Ergebnisse zeigten, wie wichtig das Sprechen über sich selbst ist, wenn es darum geht, die Leistung von Minderheiten am Arbeitsplatz zu verbessern, erklärt Dumas. Diejenigen, die der Minderheit angehörten und die über ihr Privatleben erzählen sollten, erwarteten, dass sie sich dadurch engagierter fühlen würden als die Minderheiten, die nichts von sich erzählen sollten.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Erzählen über sich selbst dazu beitrug, dass sich die Minderheiten mehr auf der Arbeit engagierten, weil sie davon ausgingen, dass ihnen auch mehr Respekt entgegengebracht würde. "Wenn Menschen über sich selbst sprechen, fühlen sie sich mehr respektiert - und sie fühlen sich in den Erfolg der Gruppe investiert, sie fühlen sich engagiert", so die Forscherin. Das Sprechen über sich selbst mache Minderheiten in der Gruppe "menschlich".

Eine Verbindung schaffen

Menschen könnten sich unwohl fühlen, wenn sie zu einer Arbeitsgruppe gehören, die ihre Werte nicht teilt, so Dumas. Wenn sie jedoch etwas herausgreifen, das sie gerne mit der Gruppe teilen, könne dies eine Verbindung schaffen.
Wenn man über seine Familie oder die Filme, die man mag, oder über das, was man diese Woche gemacht hat, spreche, zeige das "den ganzen Menschen" und nicht nur die schwierigen Bereiche, in denen man eine andere Haltung habe, sagte sie. Und selbst wenn man mit anderen nicht einer Meinung sei, was die Lieblingsfilme oder die Restaurants angeht, die man mag, führe das das nicht zu einem schwierigen Gespräch.
Das Sprechen über sich selbst sei ein erster Schritt, der die negativen Auswirkungen des Gefühls, in der Minderheit zu sein, abschwächen könne. Aber: Unternehmen sollten auch ein Umfeld schaffen, in dem sich die Mitarbeiter:innen wohlfühlen, wenn sie sich öffnen.

Ähnliche Ergebnisse zeigten sich übrigens auch bei Studien mit 277 Student:innen, die in realen Teams arbeiteten und während eines Semesters dreimal in einem Zeitraum von sieben Wochen befragt wurden. Sie wurden zu ihren Werten befragt und dazu, inwieweit sie das Gefühl hatten, dass ihre Werte mit denen anderer Mitglieder ihres Teams kollidierten. Sie berichteten auch über den Respekt, den sie von anderen in ihren Teams empfanden, und darüber, wie viel sie über sich selbst erzählten. Alle im Laborexperiment gewonnenen Erkenntnisse fanden sich auch in dieser realen Arbeitsgruppe wieder.

Die Studie wurde kürzlich in der Zeitschrift Organization Science veröffentlicht.

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