Eitelkeit auf dem Rückzug?

Psychologische Studie: Der Narzissmus in der Gesellschaft geht eher zurück

Wissenschaftler_innen gehen davon aus, dass unsere Gesellschaft immer narzisstischer wird, einige sprechen sogar von einer regelrechten "Narzissmusepidemie". Damit ist nicht Narzissmus im Sinne einer psychischen Störung gemeint, sondern eher ein Persönlichkeitsmerkmal, das durch die Facetten Führungsverhalten, Eitelkeit und Anspruchsdenken charakterisiert ist. Aber halten sich tatsächlich immer mehr Menschen für den Nabel der Welt, für etwas Besseres, für jemanden, dem mehr zusteht als anderen und der darum auch eine Führungsrolle beansprucht? Werden die Menschen immer eitler?

Die These, die die Wissenschaftler_innen urprünglich überprüfen wollten, besagt, dass in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums auch der Narzissmus steigt. Kriselt die Wirtschaft, gehen auch Eitelkeit, Anspruchsdenken und Chefgehabe eher zurück. 

Ein Forschungsteam von Psycholog_innen um Dr. Eunike Wetzel von der Universität Konstanz ist diesen Fragen nun nachgegangen und überprüfte die These anhand von rund 60.000 Persönlichkeitstests von amerikanischen Studierenden aus drei Jahrzehnten. Die Psycholog_innen kamen dabei zu einem überraschenden Ergebnis: Narzissmus ist in den letzten 25 Jahren nicht etwa angestiegen, sondern ging sogar leicht zurück. Der Rückgang verläuft kontinuierlich seit Anfang der 1990er und setzte somit bereits vor der Wirtschaftskrise ein.

*Anspruchsdenken geht zurück*
Den deutlichsten Rückgang verzeichnet das Merkmal „Anspruchsdenken“, das ausdrückt, ob sich ein Mensch gegenüber seinen Mitmenschen als höherwertig und überlegen fühlt. „Das ist interessant, da dieses Merkmal gemeinsam mit Eitelkeit zum Kern des Narzissmus gehört. Dass gerade diese Aspekte zurückgegangen sind, widerspricht der These von einer Epidemie des Narzissmus“, verdeutlicht Wetzel.

Der Rückgang von Narzissmus zeichnet sich gleichermaßen bei Männern und Frauen ab, insbesondere in den Aspekten Anspruchsdenken und Führungsverhalten. Abweichend von dem Schema stellten die Psycholog_innen jedoch nur bei Frauen eine generelle Verringerung des dritten Aspekts, Eitelkeit, fest.

Auch das dürfte überraschen, da durch die mediale Überpräsenz von unrealistischen Schönheitsidealen ja das Gefühl entsteht, es drehe sich alles nur noch um Eitelkeiten. Schön, mal das Gegenteil zu hören.

Traurig ist allerdings, dass der Narzissmus allgemein zwar offenbar zurückgeht, er es dafür aber mit Donald Trump in die höchsten politischen Ämter geschafft hat. Zahlreiche Psycholog_innen attestieren Trump aus der Ferne, ein Narzisst wie aus dem Lehrbuch zu sein. Hier ist allerdings eher die pathologische Variante gemeint.

Die Ergebnisse der Auswertung sind im Wissenschaftsjournal Psychological Science veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 8. November 2017