Flunkern ist gut fürs innere Wachstum

Forscherin untersuchte Geheimhaltungsstrategien von Teenagern

Es dürfte kein Geheimnis sein, dass die meisten Teenager irgendwann einmal Informationen vor ihren Eltern verheimlichen oder sie sogar belügen. Aber was passiert dabei genau? Ist das geplant? Läuft das immer nach einem gleichen Muster ab? Wann wird eine Lüge gestanden? Diesen Fragen widmete sich eine Studie von Judith Smetana, Professorin für Psychologie an der Universität von Rochester.
„Natürlich lügen nicht nur Heranwachsende. Die meisten Menschen lügen. Oft mehr als einmal am Tag, aber während Erwachsene eher ‚soziale Lügen‘ wie zum Beispiel "hübsches Kleid", "ich mag den neuen Haarschnitt", "tut mir leid, wir sind schon verabredet" nutzen, lügen Jugendliche auch häufig über ihre alltäglichen Aktivitäten, z. B. darüber, wo sie waren, mit wem und was sie gemacht haben.

Freiwillige und unfreiwillige Enthüllungen

Smetana und zwei Psychologiestudent:innen untersuchten für ihre Studie Berichte von 131 Teenagern und College-Student:innen über eine Begebenheit, bei der sie etwas getan hatten, mit dem ihre Eltern nicht einverstanden waren oder das sie ausdrücklich verboten hatten, sowie ihren Umgang mit Geheimhaltungen und Offenlegungen.
Das Team kodierte die Interviews auf Freiwilligkeit, Zeitpunkt, Konsistenz und gelernte Lektionen. Ein Teil der Forschung befasste sich mit der häufigen Annahme, dass die Offenlegung freiwillig ist, d. h. dass Jugendliche, die einen Teil oder die ganze Wahrheit sagen, dies aus eigenem Antrieb tun. "Aber das ist nicht immer der Fall, was wir vermutet und tatsächlich auch festgestellt haben", erklärte Smetana.

Wie frühere Untersuchungen gezeigt haben, sinkt die Bereitschaft mit zunehmendem Alter, Informationen weiterzugeben und die Eltern auf dem Laufenden zu halten, während die Geheimhaltung zunimmt. "Das hat zum Teil mit der Entwicklung der Autonomie zu tun und damit, dass Teenager tun, was sie wollen, auch wenn dies mit riskantem Verhalten verbunden ist", erklärt Smetana. Insgesamt betrachtet geben Teenager Informationen an ihre Eltern aber vor allem freiwillig (40 Prozent) oder strategisch (47 Prozent) weiter - entweder als Mittel zum Zweck, etwa um die Wahrheit über eine Party zu sagen, zu der sie hingefahren werden möchten, oder präventiv, weil sie vermuten, dass ihre Eltern es sowieso herausfinden werden.

Unfreiwillige Enthüllungen sind laut der Studienergebnisse dagegen viel seltener (13 Prozent). Dabei kann es sich um zufällige Versprecher durch einen Freund handeln, um eine Tätowierung, die von den Eltern gesehen wird, oder um den Druck, den die Eltern auf die Jugendlichen ausüben.

Das Timing

Das Timing spielt eine entscheidende Rolle: Jugendliche lügen eher (53 Prozent) vor dem Ereignis oder der Handlung, die ihre Eltern nicht gutheißen würden. Die Wahrheit zu sagen oder die Informationen preiszugeben, geschah jedoch häufiger, nachdem sie die von den Eltern missbilligte Aktivität bereits unternommen hatten (35 Prozent gaben die fragwürdige Aktivität kurz danach preis, 8 Prozent logen längere Zeit, bevor sie die Wahrheit sagten, und 23 Prozent sagten die Wahrheit zu einem unbestimmten Zeitpunkt).

Viele Strategien

Wenig überraschend (für alle Eltern von Teenagern) erwiesen sich die Jugendlichen in der Studie als flink in ihren Ansätzen: Sie berichteten in der Regel über zusätzliche Strategien neben denen, nach denen die Forscher:innen  speziell gefragt hatten, und verwendeten mehrere Strategien rund um dasselbe Ereignis. "Die Offenlegung ist vielleicht nicht das Erste, was sie tun. Vielleicht haben sie versucht, damit durchzukommen, ohne es ihren Eltern zu sagen. Oder vielleicht haben sie es erst verheimlicht und dann offenbart. Es gibt viele Grautöne - in der Regel nicht nur Schwarz und Weiß", sagt Smetana.

Persönliches Wachstum

Die Studienteilnehmer:innen wurden auch danach gefragt, was sie aus ihren Erfahrungen mit der Offenlegung und dem Lügen gelernt hatten. Dabei zeigte sich, dass unabhängig vom Alter das freiwillige Erzählen der Wahrheit (oder eines Teils davon) mit positiven Veränderungen bei den Jugendlichen verbunden war. Dazu zählte etwa ein größeres psychologisches Wachstum in Bezug auf ihr Selbstverständnis, ihre Ziele, ihre Selbstwirksamkeit oder ihre Beziehungen zu anderen und zu den Eltern. In Bezug auf die Erfahrungen mit dem Aufdecken der Wahrheit fand das Team heraus, dass in den Berichten mehr Denkanstöße, Absichten und Wünsche enthalten waren - im Vergleich zu den Berichten, in denen es um Verheimlichung oder Lügen ging. Wenn sie von ihren Lügenerfahrungen berichteten, überwiegten negativere Reaktionen wie z. B. eine schlechtere Meinung und weniger Klarheit über sich selbst, negative Gefühle oder ein schlechtes Selbstbild. Darüber hinaus war die Wahrscheinlichkeit, dass man etwas über sich selbst lernte, größer, wenn man es nach - und nicht vor - dem erzählten Ereignis erzählte.

Ratschläge für Eltern

Laut Smetana glaubten Forscher:innen früher, dass Eltern, die ihre Kinder überwachen - die feste Regeln aufstellen und ihre Kinder fragen, was sie vorhaben - ihren Nachwuchs besser vor Schwierigkeiten schützen könnten. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die elterliche Überwachung nicht dazu führt, dass die Eltern mehr über das Leben ihrer Kinder wissen. Stattdessen hängt alles davon ab, wie bereitwillig Teenager Informationen teilen möchten.

Der Schlüssel zum Austausch relevanter Informationen seien warmherzige, vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehungen, die sich vor der Pubertät entwickeln und das ganze Leben lang andauern. Es gäbe Dinge, die Teenager nicht preisgeben wollen, weil sie sie als persönlich und privat betrachten - und nicht als Angelegenheit der Eltern, bemerkt Smetana.
In gewissem Maße sei das auch in Ordnung, denn es fördere die Autonomie der Jugendlichen. Eltern und Jugendliche seien sich jedoch oft uneinig darüber, was privat ist und vom Jugendlichen selbst entschieden werden sollte - im Gegensatz zu dem, was Eltern wissen müssen, um ihre Teenager zu schützen. Jugendliche erzählen ihren Eltern zum Beispiel nicht von riskantem Verhalten, weil sie Angst haben, dass sie Ärger bekommen oder dass ihre Eltern weniger von ihnen halten könnten.
"Hier sind Vertrauen und eine gute Kommunikation besonders wichtig, da dies die negativen Reaktionen der Eltern abmildern kann", sagt Smetana. "Eine gute Beziehung zu Ihrem Teenager fördert die Offenlegung. Das ist keine schnelle Lösung."

Die Studie wurde kürzlich im Journal of Adolescence veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 4. Januar 2024