Frauenwahlen - Männerwahlen

Studie ergab: Frauen wählen linker als Männer - zumindest neuerdings

Wer die Regierung bildet, entscheidet - zumindest in Demokratien - das Volk, also wir alle. Aber wer wählt wen? Und was ist außer der politischen Einstellung noch ausschlaggebend? Offenbar das Geschlecht, denn so wie eine Studie von Dr. Ansgar Hudde vom Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) der Uni Köln herausfand, wählen Frauen seit einigen Jahren deutlich linker als Männer. Diese Tendenz zeigte sich erstmals bei der Wahl 2017 und verstärkte sich 2021. Vor allem bei den jüngsten Wähler:innen zwischen 18 bis 24 Jahren sind Grüne, Linke und SPD bei Frauen offenbar deutlich beliebter als bei Männern. Letztere finden nach der Studie AfD und vor allem die FDP besser. Schaut man auf die Zahlen der CDU/CSU-Wähler:innen zeigt sich hier ein eher ausgeglichenes Bild. „Seit 1953 gab es in der Bundesrepublik noch nie so große Geschlechterunterschiede bei Wahlen wie 2021 in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen“, wundert sich Hudde.

Das war allerdings nicht immer so, denn in den 1950er und 1960er Jahren haben Frauen deutlich konservativer gewählt als Männer, während es in den 1970er und 1980ern kaum Geschlechterunterschiede gab. Erst seit den Nullerjahren nehmen die Geschlechterunterschiede im Wahlverhalten wieder zu. Die Vorlieben von Frauen und Männern folgten aber zunächst keinem klaren politischen Links-Rechts-Schema. So werden die Grünen und die Linke zwar beide dem eher linken Parteienspektrum zugeordnet, es waren aber die Grünen, die zunächst bei Frauen deutlich beliebter waren, während die Männer eher ihr Kreuz bei den Linken setzten. Erst seit der Bundestagswahl 2017 wählen Frauen insgesamt deutlich linker als Männer.

Tatsächliches Wahlverhalten erfasst

Für seine Forschung griff Dr. Hudde auf eine weltweit einzigartige Datenbasis zu mit Informationen über das tatsächliche Wahlverhalten der Wähler:innen seit 1953. Diese Daten stammen aus einigen vom Bundeswahlleiter ausgewählten Wahllokalen, in denen die Stimmzettel zusätzlich Angaben zum Geschlecht und zur Altersgruppe enthalten. Bei der Bundestagswahl 2021 waren etwa 1,9 Millionen der abgegebenen Stimmzettel mit einer solchen Kennzeichnung versehen. Die Stimmzettel werden dann getrennt nach Geschlecht und Alter ausgezählt und die Ergebnisse werden vom Bundeswahlleiter in der „Repräsentativen Wahlstatistik“ veröffentlicht. Diese Informationen beschreiben das tatsächliche Wahlverhalten sehr viel besser als zum Beispiel Umfragen.

Daran kann man sehr detailliert das Wahlverhalten der Geschlechter bei der letzten Bundestagswahl ablesen: So wurde beispielsweise die AfD fast doppelt so oft von Männern gewählt (13,0% vs. 7,8% der Frauen), junge Männer schenkten ihr Kreuz am häufigsten der FDP (26,2% vs. 14,8% der Frauen) und junge Frauen wählten am häufigsten die Grünen (28,3% vs. 19,7% der Männer).

Gleichstellung könnte wieder stärker zum Konfliktfeld werden

Der Grund für die Verschiebung der Wähler:innen-Vorlieben mit den Jahren liegt an der Zusammensetzung der Parteien: Während die Grünen in ihrer Anfangsphase in den 1980er Jahren noch eine Männerpartei waren, ist sie seit den Nullerjahren bei Frauen deutlich beliebter als bei Männern. Auch die Linke hatte früher eine stark männlich dominierte Wählerschaft. Bei der letzten Bundestagswahl war die Partei jedoch bei Frauen und Männern fast gleich beliebt. In der jüngsten Altersgruppe ist die Linke bei Frauen sogar deutlich beliebter als bei Männern. Die Union hat bei der letzten Bundestagswahl ihren Vorsprung bei Frauen etwas eingebüßt und die SPD konnte insbesondere bei Frauen zulegen.

Die parteipolitische Geschlechtertrennung hat laut Hudde Konsequenzen. Solch starke Unterschiede würden Gleichstellung wieder stärker zum Konfliktfeld machen und es könnte sich künftig eine Trennlinie mitten durch viele Familien, Freundeskreise und Paare ziehen, so der Soziologe. „Das kann politische Konflikte an den Küchentisch tragen.“ Andererseits könne diese politische Uneinigkeit aber auch konstruktiv sein, denn gesellschaftliche und politische Konfliktthemen könnten in einem geschützten Raum diskutiert werden, was das Verständnis für politisch Andersdenkende fördern und damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen kann.

Die Studie „Seven Decades of Gender Differences in German Voting Behavior“ wurde in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 10. August 2023