Ich will's lieber nicht wissen

Metastudie: Warum wir lieber nicht über die Konsequenzen unseres Handelns informiert werden wollen

Kennt ihr sicher auch, oder?: Wenn man Menschen fragt, ob sie wissen wollen, wie sich ihre Handlungen auf jemand anderen auswirken, entscheiden sich 40 % dafür, es lieber nicht wissen zu wollen. Der Grund: Was man nicht weiß, dafür kann man nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Das Nicht-Wissen bietet also eine hervorragende Ausrede für egoistisches Handeln. "Beispiele für solche vorsätzliche Ignoranz gibt es im Alltag zuhauf, etwa wenn Verbraucher:innen Informationen über die problematische Herkunft der von ihnen gekauften Produkte ignorieren", so die Hauptautorin Linh Vu, MS, Doktorandin an der Universität Amsterdam in den Niederlanden. Sie und ihr Team wollten wissen, wie weit verbreitet und wie schädlich vorsätzliche Ignoranz ist und warum die Menschen sich darauf einlassen.

Vu und ihre Kolleg:en führten eine Meta-Analyse von 22 Forschungsstudien mit insgesamt 6 531 Teilnehmer:innen durch. Die Studien wurden alle in Forschungslabors oder online durchgeführt. Das Forschungsdesign sah so aus, dass einige Teilnehmer:innen über die Folgen ihres Handelns informiert wurden, während andere wählen konnten, ob sie die Folgen erfahren wollten oder nicht.
In einem Beispiel mussten sich die Teilnehmer:innen zwischen einer kleineren Belohnung (5 $) und einer größeren Belohnung (6 $) entscheiden. Wenn sie sich für 5 $ entschieden, erhielt ein anonymer Gleichaltriger (oder eine Wohltätigkeitsorganisation) ebenfalls 5 $. Wenn sie sich jedoch für die größere Belohnung von 6 $ entschieden, erhielt der andere Empfänger nur 1 $. Einer Gruppe erhielt die Möglichkeit, die Konsequenzen ihrer Entscheidung freiwillig zu erfahren, während der anderen Gruppe die Konsequenzen automatisch mitgeteilt wurden.

Interessant war: Über alle Studien hinweg entschieden sich 40 % der Teilnehmenden dazu, die Konsequenzen ihres Handelns nicht erfahren zu wollen, wenn sie die Wahl hatten. Für die Forscher:innen könnte ein Grund für die vorsätzliche Ignoranz darin liegen, dass manche Menschen sich nur selbstlos verhalten, weil sie ein positives Selbstbild als altruistische Person aufrechterhalten wollen. In diesen Fällen kann das bewusste Nicht-Wissen-wollen es ihnen ermöglichen, dieses Selbstbild aufrechtzuerhalten, ohne selbstlos handeln zu müssen.

Unwissenheit bietet einen einfachen Ausweg

Laut der Forschungsgruppe wird diese Annahme in der Meta-Studie bestätigt: Menschen, die sich dafür entschieden haben, die Folgen ihres Handelns zu erfahren, waren tatsächlich um 7 Prozentpunkte großzügiger, als Teilnehmer:innen, die die Informationen automatisch bekommen hatten. Das deutet darauf hin, dass wirklich selbstlose Menschen sich auch dafür entscheiden, die Konsequenzen ihres Handelns zu erfahren.
"Die Ergebnisse sind faszinierend, da sie darauf hindeuten, dass viele der von uns beobachteten altruistischen Verhaltensweisen auf dem Wunsch beruhen, sich so zu verhalten, wie es andere von uns erwarten", so Shalvi. "Zwar sind die meisten Menschen bereit, das Richtige zu tun, wenn sie über die Folgen ihres Handelns vollständig informiert sind, doch ist diese Bereitschaft nicht immer darauf zurückzuführen, dass sie sich für andere einsetzen. Ein Teil der Gründe, warum Menschen altruistisch handeln, ist auf den gesellschaftlichen Druck zurückzuführen, aber auch auf den Wunsch, sich selbst in einem guten Licht zu sehen. Da Rechtschaffenheit oft kostspielig ist und den Menschen Zeit, Geld und Mühe abverlangt, bietet Unwissenheit einen einfachen Ausweg".

Alle in diese Metaanalyse einbezogenen Studien wurden in Labors in den Vereinigten Staaten oder Westeuropa oder auf Online-Plattformen wie Amazon Mechanical Turk durchgeführt. Zukünftige Forschungen sollten darauf abzielen, vorsätzliche Ignoranz in vielfältigeren Umgebungen zu untersuchen und Wege zu finden, dieses Verhalten zu bekämpfen, so die Forschergruppe.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 27. Oktober 2023