Intolerante Toleranz

Studie deckt Zusammenhang zwischen rassistischen Vorurteilen und Unterstützung für LGBT+-Rechte auf

Wenn man sich die Einstellungen gegenüber queeren Menschen in westlichen Gesellschaften anschaut, stellt man fest, dass es in den letzten Jahren einen erstaunlichen Anstieg der Toleranz gegenüber LGBT+-Menschen gegeben hat. Lehnte die Mehrheit noch vor einigen Jahrzehnten die Idee der gleichgeschlechtlichen Ehe ab, unterstützt nun eine eine Mehrheit in Europa, den USA und anderen Demokratien eine queer-freundliche Politik und die Rechte von LGBT+ im Allgemeinen. Und das sogar unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit zur Linken oder Rechten. Wie aber passt das ins Bild von sich zunehmend rassistisch äußernden und immer weiter nach rechts driftenden Gesellschaften?

Rassismus und Toleranz

Eine bemerkenswerte länderübergreifende Studie der Universität Southampton und der Vrije Universiteit Amsterdam (VUA) über die öffentliche Meinung zu den Rechten von LGBT+ hat gezeigt, dass es da durchaus einen Zusammenhang gibt: In ihrer Untersuchung fanden sie heraus, dass rassistische Vorurteile, insbesondere gegenüber Muslimen, dazu beitragen, die zunehmende Toleranz gegenüber der LGBT+-Gemeinschaft zu erklären, und dies sei besonders bei sozial konservativen Wähler:innen zu beobachten.

In einem originellen sozialen Experiment fanden Stuart Turnbull-Dugarte von der Universität Southampton und Alberto López Ortega (VUA) jedoch heraus, dass die Zunahme der Toleranz gegenüber LGBT+-Personen viel oberflächlicher ist als zunächst angenommen und stark davon abhängt, wer die Gegner:innen von LGBT+-Rechten sind.

Nachrichten über Anti-LGBT+-Proteste

In dem Versuchsaufbau wurde 2400 Personen aus dem Vereinigten Königreich und Spanien eine Nachrichtenmeldung über Anti-LGBT+-Proteste gezeigt. Dabei wurde nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, ob die Meldung über weiße Demonstrant:innen mit typischen "westlichen" Namen oder um nicht-weiße Personen in typisch muslimischer Kleidung und mit typischen islamischen Namen berichtete. Anschließend wurden die Versuchspersonen dann zu ihrer Meinung zur LGBT+ integrativen Bildung in Schulen gefragt.

Das Ergebnis: diejenigen, denen die Nachrichten mit muslimischen Demonstrant:innen gezeigt worden waren, äußerten sich anschließend positiver zu LGBT+-Rechten als diejenigen, die die Nachrichten mit nicht-muslimischen Demonstrierenden gesehen hatten. Diese Unterschiede waren am größten bei denjenigen, die konservativere Ansichten zur Einwanderung vertraten, und die eigentlich auch in der Regel nicht positiv zu LGBT+-Rechten stehen. Die Unterstützung für LGBT+-Rechte nahm in der Gruppe der Konservativen sogar teilweise um 21 % zu! Bei denjenigen mit liberaleren Ansichten stiegen die Toleranzwerte zwar auch, allerdings nicht so stark.

"'Der Feind meines Feindes ist mein Freund' ist ein Sprichwort, das vielen bekannt ist", erläuterte Stuart Turnbull-Dugarte. Dieses Sprichwort könne uns helfen, zu verstehen, wie sich die Ansichten über LGBT+-Rechte so schnell unter traditionell konservativen Wähler:innen liberalisiert haben, einer Gruppe, die die Fortschritte bei LGBT+-Rechten und die kulturellen Veränderungen, die durch die Migration entstehen, sonst eher ablehnen.

"In einem Kontext, in dem ethnische Minderheiten, in diesem Fall Muslime, als Gegner einer der anderen Gruppen wahrgenommen werden, die von den Sozialkonservativen abgelehnt werden - wie die LGBT+-Gemeinschaft - zeigen wir, dass dieselben Wähler:innen gerne die Fortschritte bei den LGBT+-Rechten unterstützen, um sich von anderen Minderheiten zu distanzieren und ihre einwanderungsfeindliche Haltung zu legitimieren," so der Forscher. "Dies könnte darauf hindeuten, dass die liberale Glaubwürdigkeit des Vereinigten Königreichs und anderer westlicher Nationen wahrscheinlich viel oberflächlicher ist, als zunächst angenommen."

Durch die Ergebnisse zeigt die Studie, wie erschreckend wirksam rechtsextreme politische Strategien sind, die vorgeben, fortschrittlich zu sein, und sich zum Beispiel auch für Frauenrechte und Umweltschutz einzusetzen, und im Gegenzug damit ihre einwanderungsfeindlichen Positionen legitimieren.

Die Ergebnisse in einem von Expert:innen begutachteten Artikel in der renommierten Zeitschrift American Political Science Review veröffentlicht.

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