Politik? Ist mir egal!

Studie: Einstellung der Eltern zu Politik überträgt sich auf die Kinder. Besonders dann, wenn sie ein gutes Verhältnis zueinander haben

Wieso ist das Interesse an Politik nicht bei allen Menschen gleich groß? Warum nutzen so viele nicht ihr Recht, an demokratischen Wahlen teilzunehmen? Forscher:innen beobachten, dass die Gleichgültigkeit gegenüber Politik in Demokratien auf der ganzen Welt zunimmt. Sie nennen das Phänomen politische Apathie oder politische Entfremdung. Damit sind Gefühle der Trennung, der Distanz, der Machtlosigkeit und eine Gleichgültigkeit gegenüber Politik und politischen Institutionen gemeint. Ein Kennzeichen dieses Zustands ist zum Beispiel die Weigerung, zur Wahl zu gehen oder sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen. Jugendliche und junge Erwachsene sind von diesen Trends nicht ausgenommen. In vielen Ländern Europas und Nordamerikas haben die jüngsten Wähler:innen die niedrigsten Wahlbeteiligungsraten. Eine neue Studie von Forscher:innen der Florida Atlantic University (FAU) untersuchte nun eine mögliche Ursache: die Einstellung der Eltern zur Politik. Laut der Untersuchung wird Politikverdrossenheit offenbar von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Und auch interessant: Das geschieht besonders in den Familien, in denen sich Eltern und Jugendliche nahe stehen.

Politische Entfremdung entsteht im Elternhaus

In der Studie füllten 571 deutsche Jugendliche (314 Mädchen, 257 Jungen) zusammen mit ihren Müttern und Vätern Fragebögen aus, die ihre eigene politische Entfremdung zu zwei Zeitpunkten im Abstand von etwa einem Jahr beschrieben. Darüber hinaus füllten die Jugendlichen Fragebögen aus, in denen sie beschreiben sollten, wie warmherzig ihre Beziehung zu den Eltern ist. Die Jugendlichen befanden sich zu Beginn der Studie in den Klassen sechs, acht und zehn.

In den Ergebnissen zeigte sich: Hinsichtlich des politischen Einflusses der Eltern gab es keine Unterschiede zwischen Müttern und Vätern. Beide waren gleich wichtig. Allerdings kam auch heraus, dass der Einfluss nur ein Richtung kannte: die Jugendlichen trugen nicht zur politischen Entfremdung der Eltern bei.

Für die Studienautor:innen ist diese Erkenntnis ein potenziell vielversprechender neuer Weg, um die politische Beteiligung junger Wähler:innen zu erhöhen: Man müsse die politische Einstellung derer, denen sie nahe stehen, insbesondere ihrer Eltern, beeinflussen.

"Die Logik ist einfach", sagt Dr. Brett Laursen, Psychologieprofessor am Charles E. Schmidt College of Science der FAU. "Kinder, die ihren Eltern nahe stehen, identifizieren sich eher mit ihnen und sind empfänglicher für politische Botschaften von ihnen. Wir hören denjenigen zu, die wir mögen, wir führen mit ihnen einen Dialog, wir identifizieren uns mit ihnen und wir ahmen ihr Verhalten nach".

Politikverdrossenheit ist eine Herausforderung für Demokratien

Politische Entfremdung ist Ausdruck von Misstrauen und mangelndem Vertrauen in politische Systeme und politische Persönlichkeiten. Politikverdrossenheit kann eine Herausforderung für Demokratien sein, da politisch entfremdete Bürger:innen dazu neigen, nicht zur Wahl zu gehen. Wenn Wahlen aber nur von einem kleinen Teil der Wählerschaft entschieden werden, wächst die Politikverdrossenheit, was die Wahlbeteiligung in einem Teufelskreis weiter nach unten drücken kann. Das Problem dabei: Politische Einstellungen sind schwer veränderbar. Viele politisch unzufriedene junge Erwachsene gehen auch als Erwachsene nicht wählen und verzichten somit auf politische Beteiligung.

Die Ergebnisse der Studie seien wichtig, so Laursen, denn sie zeigten, dass trotz der zunehmenden Bedeutung von Freunden und Gleichaltrigen viele Verhaltensweisen von Jugendlichen nach wie vor in hohem Maße vom Einfluss der Eltern abhängig seien. "Wir stellen uns Eltern gerne als positive Sozialisationsinstanzen vor, und in der Regel sind sie das auch. Schlechte Angewohnheiten und Einstellungen können aber auch von den Eltern auf die Kinder übertragen werden, und Eltern sollten sich dieser Möglichkeit bewusst sein. Manche Eltern unterschätzen ihre Bedeutung. Kinder beobachten und hören zu, auch noch in der späten Jugendzeit. Sie orientieren sich an den Eltern, vor allem in Familien, die eng und herzlich sind. Die Einstellung zur Politik ist nur ein weiteres Beispiel für die vielen Möglichkeiten, wie Eltern einen tiefgreifenden und dauerhaften Einfluss auf das Leben ihrer Kinder ausüben."

Die Studie wurde im Journal of Family Psychology veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 25. Juli 2023