„Der Diktator“ – Parodie im Überfluss

Zotenreißer Cohen sitzt immer noch der Schalk im Nacken

Irgendwo mag es eine Grenze des guten Geschmacks geben. Wo die Späße so dermaßen überzogen sind, dass es schmerzt, wo lustig gemeinte Scherze nur noch andere verunglimpfen, wo Witz einfallslos mit Unsinn gleichgesetzt wird. Nicht so bei „Der Diktator“ – der als Alleinherrscher natürlich aber auch über die nötige Macht verfügt, diese Grenze um einige Meter zu verrücken. Nebenbei schafft er es, so gut wie alles und jeden auf die Schippe zu nehmen, ohne dabei ins Land des Stumpfsinns zu gelangen.

Das neueste Machwerk um Sacha Baron Cohen erzählt vom Diktator Aladeen, der im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gekidnappt und ausgelöscht werden soll, da sein Onkel (Ben Kingsley) die wadiyischen Ölreserven verhökern will. Doch dem ausgefuchsten Diktator gelingt die Flucht, was ihm erst mal aber relativ wenig nützt, da ein Doppelgänger seinen Posten eingenommen hat und dem Land Wadiya die Demokratie und dem Onkel das große Geld bringen soll. Das kann Aladeen so nicht hinnehmen – zum Glück trifft er einen „alten Freund“ wieder, der eigentlich exekutiert werden sollte, in den USA aber Unterschlupf fand. Zusammen mit dem Atomtechniker wird flugs ein Plan ausgetüftelt, wie Aladeen sein Land vor solch einer Gräueltat schützen kann. Dazu muss der Despot allerdings erst die vegan-feministische Hippie-Braut Zoey (Anna Faris) für sich gewinnen...

Man kann den Diktator nicht unsympathisch finden, wie er inmitten eines pompösen Umzugs auf einem Kamel reitend in New York einzieht, seine Gespielinnen bittet, über Nacht zum Kuscheln zu bleiben, sich über die horrenden Internetkosten im Hotel auslässt oder ausrastet, als eine Frau ihn als nett bezeichnet. Dieser kindlich-unwissende Charme reißt vieles raus, und am Ende gelingt es dem Machthaber sogar, ein mehr oder weniger politisch korrektes System zu entwerfen – natürlich nicht ohne einen kleinen wohlgemeinten Seitenhieb auf die USA.

Nach Gangster Ali G., Journalist Borat und Modereporter Brüno polarisiert Sacha Baron Cohen nun also als Tyrann Aladeen. Man mag seine satirische Komik diskriminierend und politisch inkorrekt finden, man kann es aber auch einfach lassen. Viele der Blödeleien schneiden durchaus reale Probleme an, etwa die in manchen Kulturen noch übliche Bevorzugung männlicher Nachkommen. Diese Virtuosität, mit der der Film ernste Themen anreißt und sie dann durch den Kakao zieht, ohne dass man entsetzt den Kopf schütteln müsste, fasziniert durchweg. Und auch, wenn manche Witzeleien wortwörtlich unter die Gürtellinie gehen (etwa, als sich Aladeens und Zoeys Hände in der Gebärmutter einer in den Wehen liegenden Frau berühren und einen Moment lang eine fast romantische Stimmung suggeriert wird), ist es eine Wohltat, über den Wahnsinn dieser Welt auch mal lachen zu können.

Deine Meinung zu diesem Film

Lies noch mehr Filmkritiken

Autorin / Autor: Annika Willinger - Stand: 11. Mai 2012