Die Bücherdiebin

Die berührende Geschichte der jungen Liesel vor dem grausamen Hintergrund des Zweiten Weltkriegs nach dem gleichnamigen Bestseller von Markus Zusak

Die Geschichte von Liesel Meminger (Sophie Nélisse) wächst einem zunehmend ans Herz. Das kleine Mädchen schafft es, alle Menschen mit ihren so gegenteiligen Charakteren und Entwicklungen in ihren Bann zu ziehen. Daher ist sie mit all ihren Eigenschaften das Herz und die Seele von "Die Bücherdiebin".

Grundlage dafür ist ihre Entwicklung vom schüchternen, verwirrten Mädchen, welches wegen ihres Analphabetismus gehänselt wird, über die entschlossene, leidenschaftliche und wissbegierige Schülerin bis hin zu einem kreativen, lesehungrigen Freigeist. Dabei stehen ihr vor allem der neue Pflegevater Hans Hubermann (Geoffrey Rush), der Nachbarsjunge und Schulkamerad Rudi Steiner (Nico Liersch) und Max (Ben Schnetzer), der jüdische Flüchtling bei. Aber auch die mürrische Rosa (Emily Watson) entwickelt sich zu einer fürsorglichen Mutter, deren Herzensgüte immer öfter unter der rauen Schale aufblitzt.

*Ein neues Zuhause*
Liesel ist eine beindruckende Persönlichkeit, zugleich offen, lebhaft, mutig, neugierig und unschuldig, sowie - vor allem zu Beginn - erschüttert von dem nur wenige Tage zurückliegenden Tod ihres jüngeren Bruders. Sie ist permanent enttäuscht und verwirrt über den Verlust ihrer Mutter, weil sie nicht versteht, warum sie sie verlassen hat. Eingeschüchtert von ihren neuen "Eltern" bemüht sie sich, sich anzupassen. Dies wird durch die Verachtung der Mitschüler, weil sie nicht lesen kann, erschwert. Hier kommt eine weitere ihrer zentralen Eigenschaften zum Tragen, nämlich ihre Entschlossenheit, wegen der Liesel dank der Hilfe ihres mitfühlenden Pflegevaters Hans nicht nur das Lesen lernt, sondern auch die Macht von Worten zu verstehen beginnt. Ihren Mut, ihre Stärke, ihre Fähigkeiten und ihren Lesehunger hat Sophie Nélisse überzeugend verkörpert.

Hans wächst einem mit seiner scheinbar einfachen Art direkt ans Herz, während er es schafft, Liesel aus der Reserve zu locken. Auch seine Beziehung zu der kratzbürstigen Rosa ist realistisch dargestellt, da trotz ihrer bissigen und unerbittlichen Art, mit der sie ihren Mann häufig als "Saukerl" beschimpft, ihre gegenseitige Zuneigung doch deutlich spürbar ist. Diese Figur gewinnt nicht so schnell Symphatie, jedoch wächst sie einem mit der Zeit aufgrund ihrer facettenreichen und komplexen Qualitäten ans Herz, und die scherzhaften Streitigkeiten zwischen den Eheleuten bringen ein wenig Spaß in die sonst so ernste Angelegenheit. Dies ist insofern bewundernswert, da der Regisseur (Brían Percival) es schafft, eine alltägliche Atmosphähre inmitten eines Krieges hineinzubringen.

Ein weiteres Mitglied ihrer Familie wird Max, ein kranker, ausgehungerter, jüdischer Flüchtling, den Hans wegen einer alten Schuld aufnimmt und versteckt. Doch er wird mehr als das, er wird tatsächlich ein Teil der Familie und eine Bezugsperson für Liesel. Dank ihm lernt sie die Macht der Worte zu verstehen, und er öffnet ihre Augen für die Welt, in der sie lebt. Außerdem steht ihr stets der Nachbarsjunge und Schulkamerad Rudi bei, welcher sich durch seinen frohen und freundlichen Charakter auszeichnet. Es ist interessant, ihren Zwiespalt zu betrachten, da sie ihm als besten Freund einerseits nichts verheimlichen will und andererseits Max ein Geheimnis ist, das ihre ganze Familie in Schwierigkeiten bringt.

*Worte*
Worte spielen eine zentrale Rolle in der Handlung, dadurch, dass sie einerseits missbraucht werden, wie die Bücherverbrennungen deutlich aufzeigen. Dabei wird zunächst deutlich, wie Hitlers Anhänger die Macht der Worte missbrauchen und dadurch die Deutschen in ihrer Meinungsbildung beeinflussen. Nein, sie wurden nicht nur beeinflusst, es wurde ihnen befohlen, was sie zu denken, zu fühlen und zu lesen hatten - und was nicht.
Freie Meinungsäußerungen wurden so drastisch eingeschränkt, dass ein einziges Wort, eine einzige menschliche Handlung eine Gefahr für eine ganze Familie darstellte, wie Hans am eigenen Leib erfahren musste.
Im Gegensatz dazu schaffte Liesel es, durch das Lesenlernen kreativ zu werden. Sie hat sich die Worte zu eigen gemacht und lernte dadurch eigenständiges Denken.
Es wird oft deutlich, dass die Erwachsenen auf die Frage, warum zum Beispiel Jesse Owen wegen seiner dunklen Hautfarbe kein Vorbild sein kann, oder warum Juden verfolgt werden, nur die Antwort haben "Weil ich das sage" - denn sie wissen es selber nicht. Sie sind Sklaven der Gesellschaft geworden, und freie Meinungsbildung, sowie Menschlichkeit ist eine Seltenheit, welche vor allem Hans mit seiner emotionalen Intelligenz verkörpert.

*Der alles sehende Erzähler*
Die samtweiche Stimme (Roger Allam/ Ben Becker) bereits zu Beginn, sowie die sarkastischen Kommentare zwischendurch über das menschliche Treiben und seine Rolle dabei, bringen dem Zuschauer den Tod erstaunlich nahe. Seine Beobachtungen sind mit maßvoller Autorität vorgetragen, aber auch unberechenbar, unverblümt, humorvoll und überraschenderweise sehr nachvollziehbar. Eine sehr gewagte Idee, den Tod zum Erzähler zu machen, jedoch auch auf eine ironische Weise passend, denn wer könnte eine Geschichte über den Krieg besser erzählen, als der Tod?
Und doch wird er im Laufe der Gechichte symphathisch, während er seine Arbeit erledigt, Seelen an sich nimmt und es sachlich und doch gefühlvoll beschreibt. Man verlässt den Kinosaal mit dem Gefühl, der Tod sei nicht zwangsläufig nur zum Fürchten.
Er erscheint einem weise und paradoxerweise voller Lebenserfahrung.

*Fazit: Berührend, wie kaum ein anderer Film*
Mich hat der Film so berührt, wie kaum ein anderer. Es waren die Gegensätze, wie die Kleinigkeiten, die eine alltägliche Situation inmitten eines Kriegs darstellen, sowie die emotionalen Szenen während der Bombenangriffe, als Hans mit seinem Akkordeon und Liesel mit ihren Worten und Geschichten die Angst vertreiben, die den Film zu etwas Besonderem machen und dem Zuschauer die Geschichte nahe bringen. Außerdem ist noch der historische und so reale Zusammenhang emotional berührend.
Leider wird nicht deutlich, wie Liesels Vergangenheit aussah, dies ist jedoch eher eine Kritik an Markus Zusak, als an den Drehbuchautor Michael Petroni, welcher erfolgreich den Handlungsstrang hervorgehoben hat und sich dadurch vom komplizierter gestalteten, aber auch neugierig machenden Buch abhebt, während er dennoch nahe am Geschehen bleibt.
Ich würde den Film auf jeden Fall empfehlen, auch wenn ich warnen muss, dass es stellenweise sehr traurig wird. Allerdings wäre es anders bei einem so ernsten Hintergrund unpassend.

Der Film kommt ab 13. März 2014 ins Kino.

    Autorin / Autor: Lilian - Stand: 4. Februar 2014