Nicht so das Bilderbuchmädchen

Autorin: Agi Ofner

Wenn Zara aus dem Fenster schaut, kann sie direkt in das Zimmer gegenüber schauen. Das Zimmer gehört einem Jungen mit einem zottligen Hund, der oft am Computer sitzt und leider auch viel zu oft weint. Eines Tages kann Zara ihre Neugier nicht mehr unterdrücken und schreibt eine kurze Nachricht auf einen Zettel, den sie ans Fenster klebt. Es dauert zwar eine Weile, aber tatsächlich: Am Fenster gegenüber findet sich eine Antwort, und es entsteht eine zarte Freundschaft. Gegenüber wohnt Sam, der sich mit seiner besten Freundin verkracht hat und sich nur zu gerne vor dem Schwimmunterricht drücken würde. Auch Zara hat mit einigen Probleme zu kämpfen: Ihr Schwarm Josef redet kaum mit ihr, obwohl sie akribisch Buch führt über ihre Konversationen und alles dafür tut, dass er sie nach einem Date fragt. Zara und Sam geben sich gegenseitig Ratschläge, wie die verschiedenen Krisen bewältigt werden können. Manches klappt, anderes führt zu noch mehr Chaos. Doch Zara merkt auch, dass manche von Sams Problemen größer sind, als sie auf den ersten Blick erkennt, und fundamentaler, als sie es begreifen kann. Wird Sam sich ihr anvertrauen?

Die Geschichte von Zara und Sam kommt sehr unschuldig daher. Die Zettel-Freundschaft scheint zunächst etwas aus der Zeit gefallen, und doch wirken die zarten Bande, die zwischen den beiden entstehen, liebevoll und vertraut. In der ersten Hälfte des Buches habe ich die Geschichte ehrlich gesagt für sehr durchschaubar gehalten, beinahe platt, selbst wenn man die Leseempfehlung ab 13 Jahren beachtet. Doch hier muss ich mein erstes Urteil entschieden revidieren: Dieses Buch ist eine wunderbare Lektüre für alle Altersklassen. Es hat mich daran erinnert, dass wir nie wissen, womit unser Gegenüber gerade zu kämpfen hat, mit welchen Gedanken jemand am Morgen aufgestanden ist, oder welche Sorgen ihn nachts wachhalten. Es gilt daher, so offen und empathisch wie möglich durch die Welt zu gehen und immer damit zu rechnen, dass unsere eigene Wahrnehmung nicht zutrifft. Dass wir wichtige Dinge übersehen, oder falsch interpretieren. Wir können alle nur darauf hoffen, eine so aufmerksame und mitfühlende Freundin wie Zara zu finden, die die Puzzleteile richtig zusammen setzt und uns so sieht, wie wir wirklich sind.

Erschienen bei Gulliver

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Autorin / Autor: lacrima - Stand: 20. März 2024